Hey!

Im ersten Teil von Sinn und Unsinn von Trends ging es vor allem um die allgemeine Annäherung an den Trend und seine Erforschung. Da dieses Thema für mich als Textildesignerin von täglicher Bedeutung ist, möchte ich heute Trends aus der Sicht eines Gestalters betrachten und meinen eigenen Senf dazu geben -sei gespannt! 🙂

4 gleiche Trends – jedes Jahr aufs Neue

Die mit Abstand populärste Trendprognose der Wohntextilien – Branche ist die der alljährlich stattfindenden Heimtextilmesse in Frankfurt. In einer großen Halle, dem sog. „Theme Park“, zeigt die Heimtextil aktuelle Modeentwicklungen. Von neuartigen Stoffen und Farbkompositionen, über Tische mit themenbezogenen Assemblagen, interaktiven Druckmaschinen und digitalen Erlebnisstationen ist alles vertreten. Diese fassbar gemachte Trendwelt wird fast ein Jahr lang von Designern in Teamarbeit entwickelt. Das Einzige, was wirklich jedes Jahr gleicht bleibt, ist die verblüffende nahezu magische Anzahl der Trendthemen: nämlich 4 und das Fotografie – Verbot. Edit Heimtextilmesse 2020: Es durfte fotografiert werden!

Die magische 4 bedeutet zudem die immer gleiche Einteilung in die Bereiche: Symbiose Mensch und Natur, technische Entwicklung  der Branche, Erforschung der Umwelt und des ganzen Universums und kulturelle Entwicklung der Menschheit. Das ganze wird neben Formbezügen auch in Farbwelten und Materialien visualisiert. Jedes Jahr das gleiche und immer wieder neu. Da stellt man sich doch die Frage:

Was bewegt uns?

Eigentlich sind diese Trend – Themen ganz logisch motivierte Unterteilungen. Wir stellen uns als Mensch in die Mitte des Seins und betrachten unsere Umwelt. Neue technische Entwicklungen innerhalb der Textilbranche bringen uns immer neue gestalterische Impulse. Zum Beispiel beim Digitaldruck lassen uns immer effektiver arbeitende Mechanismen, immer schneller Neues auf den Markt bringen. Es ist also natürlich, dass auch Trends mit dieser Technisierung noch schneller verbreitet werden und deren Lebenszyklus kürzer wird. Social Media und die digitale Vernetzung ermöglicht zu dem nicht nur die Bewerbung von neuen Produkten und Trends, sondern auch die Zusammenarbeit von Gestaltern untereinander. Durch den direkten Austausch von Kollegen und Konsumenten, kann ich Wünsche und Meinungen in den Herstellungsprozess einfließen lassen.

Noch nie zuvor war es Designern so leicht möglich, mit ihrer Zielgruppe in Kontakt zu treten und exakt zugeschnittene Produkte zu entwickeln. In Sachen Kommunikation können Trends den Absatzmarkt positiv beeinflussen. Gestalter testen mit wenig Kostenaufwand Designkonzepte, bevor sie Marktreife erlangen. Am Puls der Zeit zu sein und sich ständig vorwärts zu bewegen ist ein innerliches Bedürfnis des Menschen. In Trends zeichnen sich diese Vorwärtsbewegungen ab.

Interessant wird es, wenn wir uns selbst im Weg stehen, Krisen, Konflikte verursachen und scheinbar in manchen Momenten nicht nach vorne schauen. Denn wie positive Entwicklung, kann genau so gut Negatives in Trends sichtbar gemacht werden. Metaphorisch ist der Trend wie ein Spiegel des allgemeinen Wohlbefindens und Selbstvertrauens.

Die turbulenten 70er Jahre

Die 70er Jahre sind dafür ein bewegendes Beispiel. Neben Ölkrise, Wirtschaftsdefiziten, Terror und unzähligen blutigen Auseinandersetzungen auf der Welt, stehen Frauenbewegung, Atommüllgegner und ein immer größer werdendes Umweltbewusstsein im Vordergrund. Gestalterisch übersetzt bedeutet das:

Herr Trend- mehr Tiefe, wenn ich bitten darf…

Gut, jetzt wissen wir woher Trends kommen. Sie werden nicht von irgendwem ausgedacht, sondern sind die Veranschaulichung unseres menschlichen Tuns und Wohlbefindens. Sie sind uns deshalb schnell vertraut, weil sie in Farbe und Form das widerspiegeln, was wir im Alltag erleben und an was wir uns kollegial erinnern. Manchmal ist uns ein Trend scheinbar unbegreiflich. Eine Farbe, ein Material oder ein ganzes Produkt gibt uns innerliche Konflikte. Mir persönlich geht bspw. „Senfgelb“ sehr auf die Nerven, ich hasse Cord-Stoff, aufgeplusterte Daunenjacken, Betonwände, Birkenstock- Sandalen und (sorry!) Regenbogen- kotzende Einhörner.

Neben seiner Daseinsberechtigung habe ich ein Problem mit dem Herrn Trend. Ich kann ihn nicht leiden, wenn er absolut oberflächlich daher kommt und wie ein Insektenschwarm übers Land zieht. Warum fragen sich viele nicht, warum sich ein bestimmtes Muster durchsetzt hat und was es bedeutet? Oder ob die neue Lieblingsjeans fair hergestellt wurde? Natürlich befasst man sich als Gestalter tiefer mit Mustersymbolik, Farben und dem Herstellungsprozess von Produkten. Aber ich glaube, dass die meisten Menschen von Natur aus neugierig sind und zu einem gewissen Grad an Reflexion fähig sind. Ich habe die starke Vermutung, dass Massenproduktion unser Urteilsvermögen einschränkt und wir uns auf ein gesünderes und bewussteres Konsumieren trainieren sollten.

Kommunikationsproblem

Vielleicht ist es genau das, was mich bisher an Trends so verunsichert hat. Sie haben nicht mit meiner inneren Haltung übereingestimmt. Sie haben schlichtweg nicht mit mir kommuniziert. Als Gestalter erarbeitet man Konzepte und Produkte, die möglichst einer größeren Masse an Menschen zur Verfügung gestellt werden sollte. Wir riechen Tendenzen und reagieren auf die Essenz des Weltgeschehens. Mit Hilfe von Trends zeigen wir, ähnlich wie es Maler und Zeichner tun, die unmittelbare Resonanz des Zeitgeschehens.

Wiederkehrende Trends, also Adaptionen aus vergangenen Stilepochen, sind Erinnerungen unserer Geschichte. Bestimmte Farben und Formen bleiben uns im Gedächtnis und werden neu interpretiert. Trends sind omnipräsent: sie sind nonverbale Kommunikation.

Was ich mir als Gestalter und Konsument wünsche

Neben der Sinnbedeutung des Trends, wünsche ich mir eine transparente Herstellungs- und Vermarktungsstrategie. D.h. das jeder potenzieller Käufer die Chance bekommt, das Produkt von der Herstellung bis zum Verkauf ethisch und moralisch nachzuvollziehen. Faire Arbeitsbedingungen in der Textilbranche sollten wichtiger werden, als kostengünstig Masse zu konsumieren. Handwerk und Qualität sollten mehr Beachtung bekommen, als durch Lobbyisten gepushte Hype- Produkte. Ich wünsche mir durch die digitale Vernetzung ein kollektives Entwickeln ökonomisch und ökologisch sinnvoller Erzeugnisse, die unserem wachsenden Sinn für Nachhaltigkeit Rechnung tragen.

Fazit

Trends sind unser aller Empfinden. Sie zeigen unsere Herkunft und unsere Entwicklung. Sie sind Reaktion auf unsere Verhaltensweisen und jenseits sprachlicher und physischer Barrieren Kommunikationsmittel und Ausdruck. Wenn wir es schaffen, unser wachsendes Bewusstsein und eine Prise mehr Gerechtigkeit in Trends zu verankern, können wir positive Entwicklungen voran treiben. Ich werde als Designer weiterhin kritisch hinterfragen, werde aber auch Trends unterstützen, wenn sie einer guten Sache dienen. Ich sehe meine Aufgabe darin, mit meiner Arbeit Menschen emotional zu berühren, ihren Sinn für Qualität und Handwerklichkeit anzuregen und ein „Wir“ zu erzeugen, was die Zukunft fairer, freundschaftlicher und bunter macht.

 

Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal,

deine Ms.Hey!

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